Bei Operationen im Bereich der Schädelbasis, vor allem aber bei der Entfernung von Akustikusneurinomen besteht ein hohes Verletzungsrisiko für den Gesichtsnerv (N. facialis). Der Nerv ist durch das Wachstum des Tumors häufig breit ausgewalzt und kann durch Manipulationen bei der Tumorentfernung leicht geschädigt werden.

 

Das intraoperative neurophysiologische Monitoring (IONM) dient dazu, dieses Risiko zu senken. Die von apl. Prof. Dr. med. Julian Prell geleitete Arbeitsgruppe „Neurophysiologisch geführte Operationen“ beschäftigt sich mit solchen Techniken. Wir gelten seit vielen Jahren als Vorreiter in der Entwicklung von Monitoring-Verfahren  für den Gesichtsnerv. Hierzu wurde ein weltweit einzigartiger Prototyp, die „Hallenser Ampel“ konstruiert. Dieses Gerät ist in der Lage, automatisiert feinste elektrische Muster in der Gesichtsmuskulatur zu entdecken, welche auf eine Schädigung hindeuten. Unsere Gruppe nutzt dafür modernste Techniken der Informatik bis hin zur künstlichen Intelligenz. Der Operateur kann somit ohne Zeitverzögerung gewarnt werden, so dass er seine Operationsstrategie den Gegebenheiten anpassen und Schäden vermeiden kann. 

 

Seit dem Jahr 2010 werden unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet durchgehend von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell gefördert. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen in hochrangigen Journalen und eine große Zahl von nationalen und internationalen Fachvorträgen entstanden bisher aus dieser Forschungstätigkeit. Aktuell wurde darauf aufbauend ein weiteres DFG-Projekt bewilligt, welches mit einer Fördersumme von 110.000€ die von uns erzielten Erkenntnisse getreu dem Konzept „bench to bedside“ in die reguläre Krankenversorgung übertragen wird.

 

Zusätzlich nutzen wir eine ähnliche, ebenfalls von uns selbst entwickelte Technologie für ein weiteres, von der DFG gefördertes Forschungsprojekt zur Messung der Narkosetiefe. Dazu kooperieren wir mit unseren Kollegen aus der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin. Ziel ist eine Technik, welche unbeabsichtigte Patientenbewegungen unter der Vollnarkose verhindern soll. Auch dieses Forschungsvorhaben verfolgt somit das Ziel einer erhöhten Patientensicherheit.

Akustikusneurinome sind gutartige Tumore, die im inneren Gehörgang oder im Kleinhirnbrückenwinkel wachsen und zumeist mit einer einseitigen Hörminderung, einem Tinnitus und Schwindel auffallen. Sie können prinzipiell beobachtet, bestrahlt oder operiert werden. Ab einer gewissen Tumorgröße ist allerdings immer eine Operation erforderlich, wobei danach häufig eine weitere Verschlechterung des Hörvermögens bis zur Ertaubung auftritt. In einer von der halleschen Universitätsmedizin geleiteten klinischen Phase-III-Studie an neun deutschen Klinika soll nun herausgefunden werden, ob die Gabe der Substanz Nimodipin einige Zeit vor und nach der Operation eines Akustikusneurinoms eine neuroprotektive Wirkung hat und die Hörfunktion häufiger erhalten werden kann. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Studie mit insgesamt rund 900.000 Euro für drei Jahre.  

Neben der halleschen Universitätsklinik und Poliklinik für Neurochirurgie sind die Universitätsklinika Tübingen, Würzburg, Göttingen, Münster und Erlangen-Nürnberg sowie die Kliniken Nord-Heidberg Hamburg, Fulda und Erfurt an der Studie beteiligt.  

Das Akustikusneurinom macht etwa sechs bis acht Prozent der intrakraniellen Tumoren aus und kann unbehandelt auch zum Tode führen. Statistisch erkranken jährlich etwa ein bis zwei Menschen je 100.000 daran. „Diese Tumoren sind jedoch sehr gut behandelbar. Nach kompletter operativer Entfernung sind die Patienten, die im Durchschnitt zwischen 45 und 55 Jahre alt sind,  in der Regel geheilt. Allerdings geht mit dem einseitigen Verlust der Hörfunktion eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität einher“, sagt apl. Prof. Dr. Christian Scheller von der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Halle (Saale), der seit über 20 Jahren zu der Thematik forscht und wissenschaftlich publiziert. Zur Einordnung: Die Universitätsklinik für Neurochirurgie ist auf die operative Behandlung von Akustikusneurinomen spezialisiert und dafür kommen aus ganz Deutschland Patienten nach Halle. Außerdem wird hier an dem Thema seit mehr als 20 Jahren wissenschaftlich gearbeitet. Das habe sicher dazu beigetragen, dass die DFG dieses Vorhaben fördere, so Scheller.  

In vorangegangenen Studien habe sich gezeigt, dass die prophylaktische Gabe von Nimodipin dafür sorgen könnte, Hirnnerven zu schützen, insbesondere den Hör- und den Gesichtsnerven, so Scheller. Nimodipin sei ein gut verträglicher Calcium-Antagonist, der seit mehr als 25 Jahren als Medikament eingesetzt werde, von dem aber bisher nicht klar sei, warum er eine neuroprotektive Wirkung habe.  

Die Datenlage zu dieser Wirkung aus einer Pilotstudie unter  seiner Leitung und einigen  weiteren Studien sei noch zu dünn, um daraus eine allgemeine Therapieempfehlung abzuleiten. Die belastbare Evidenz fehle bisher, so Scheller weiter. „Daher hat unsere Studie auch eine große Relevanz für die Grundlagenforschung. Wir gehen also den umgekehrten Weg - aus der Klinik in die Grundlagenforschung“, sagt der Neurochirurg.  

In die die Studie sollen insgesamt 450 Patientinnen und Patienten eingeschlossen werden, die zufällig einer der beiden Studiengruppen zugeordnet werden. Eine Gruppe wird klassisch behandelt, die andere Gruppe erhält am Tag vor der Operation und bis zu fünf Tage danach zusätzlich ein Nimodipin-Präparat. Die Zuordnung geschieht internetbasiert mit einem automatischen System des Koordinierungszentrums für Klinische Studien Halle (KKSH), das die Studie - ebenso wie apl. Prof. Andreas Wienke vom Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik (IMEBI) der Medizinischen Fakultät Halle - unterstützt.  

Vor und nach der Operation wird das Hörvermögen beziehungsweise die Hörfunktion gemessen. „Das ist sehr gut messbar und anhand von Ton- und Sprachkurven ist die neuroprotektive Wirkung sehr gut zu sehen. Das sind also harte Daten“, sagt Scheller. Das subjektive Empfinden der Patientinnen und Patienten werde nach drei Monaten aber mittels standardisierten Fragebögen ebenfalls erfasst, ebenso erfolge nach diesem Zeitraum eine MRT-Untersuchung zur Kontrolle.  

Perspektivisch wird laut Scheller in Kooperation mit der Naturwissenschaftlichen Fakultät I der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zudem geprüft, ob es Sinn ergibt, den Wirkstoff lokal dort einzusetzen, wo er schützend wirken soll. Die neuroprotektive Wirkung zu belegen, kann des Weiteren Auswirkungen auf andere operative Eingriffe haben, bei denen Nerven gefährdet sind. „Ein Beispiel könnten die Schilddrüsenoperationen sein, die deutlich häufiger durchgeführt werden als die Operation eines Akustikusneurinoms, und bei deren Entfernung eine Heiserkeit als Folge einer Nervenschädigung auftreten kann“, so Scheller. 

Bei diesem Gemeinschaftsprojekt der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurochirurgie und dem Institut für physiologische Chemie sollen Untersuchungen an Meningeomzellen hinsichtlich posttranslationaler Modifikationen vorgenommen werden. Dieses Projekt wurde im Rahmen der Wilhelm-Roux-Förderung ausgewählt und wird mit insgesamt 150.000 Euro über 3 Jahre gefördert. Projektleiter sind Dr. med. Maximilian Scheer und Prof. Dr. sc. nat. Rüdiger Horstkorte.

Stand der Forschung:
Unter dem Begriff posttranslationale Modifikationen werden Veränderungen von Proteinen nach der Translation zusammengefasst. Diese Modifikationen variieren alters- und stoffwechselabhängig. Sehr häufige posttranslationalen Modifikation sind die enzymatische Anheftung von Zuckern (Glykosylierung) und die nicht-enzymatische Modifikation durch Carbonyle (Glykierung). Meningeome sind Hirntumore, die aus den Zellen der Hirnhäute hervorgehen und im Alter vermehrt auftreten. Das Erkrankungsalter liegt meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Dabei werden die Meningeome anhand histologischer Merkmale und Rezidivhäufigkeit (WHOKlassifikation) von Grad I (gutartig) über Grad II (atyptisch, schnelles Wachstum) bis hin zu Grad III (anaplastisch, bösartig, infiltratives Wachstum) eingeteilt. Die klinische Symptomatik ist sehr vielfältig und reicht von einem Zufallsbefund über Kopfschmerzen und neurologische Ausfallserscheinungen bedingt durch lokale Kompression / Verdrängung bis hin zu Krampfanfällen. Bei aggressiven Hirntumoren, wie dem Glioblastom, ist bekannt, dass bestimmte posttranslationale Modifikationen, wie die (poly)-Sialylierung (eine besondere Art der Glykosylierung) negative prognostische Marker sind , da durch die Expression der negativ geladenen Sialinsäuren die Zelladhäsion herabgesetzt und die Metastasierung gefördert wird. Nicht nur die Tumorzellen selbst, sondern auch die extrazelluläre Matrix wird alters- und stoffwechselabhängig posttranslational modifiziert und beeinflusst dadurch die Tumorprogression. Bisher gibt es keine Untersuchungen zur Expression von posttranslationalen Modifikation bei den verschieden Graden von Meningeomen, die sowohl benigne wie maligne sein können. Daher eignen sich Meningeome zur Überprüfung unserer Hypothese, dass posttranslationale Modifikationen an der Malignität von Hirntumoren beteiligt sind.

  1. Unterscheiden sich benigne Meningeome von malignen Meningeomen in ihren posttranslationalen Modifikationen, besonders bei der Glykosylierung?
  2. Hat die altersabhängige Glykosylierung als posttranslationale Modifikation einen Einfluss auf die Malignität?
  3. Haben posttranslationale Modifikationen der Matrix (hier Glykierung) einen Einfluss auf die Metastasierung?
  4. Können durch metabolisches „Engineering“ posttranslationale Modifikationen moduliert werden?


Vorarbeiten:
Wir haben große Erfahrung mit posttranslationalen Modifikationen. So konnten wir zeigen, dass Sialinsäuren essentiell sind und als Bestandteil der Glykosylierung entscheidend an der Funktion von Zelladhäsionsmolekülen beteiligt sind und die beteiligten Sialyltransferasen entwicklungs- und substratabhängig exprimiert werden. Zusätzlich sind wir in der Lage durch Applikation von synthetischen Zuckern die posttranslationale Modifikationen von Zelloberflächen zu modulieren. Wir konnten zeigen, dass die nicht-enzymatische Glykierung (die Endprodukte dieser Modifikation werden als „Advanced–Glycation-Endproducts“ bezeichnet) mit Migration von Tumorzellen, Neuritenwachstum, der Barrierefunktion des Endothels und der Affinität von Rezeptoren zu ihren Liganden interferiert. Wir sind eins der wenigen Labore, die sich mit einem Gegenspieler der Phosphorylierung beschäftigen. Die O-glykosidische Verknüpfung von N-Acetylglukosamin (O-GlcNAc) an Serin oder Threoninreste eines Proteins (oder Enzymes) hat großen Einfluss auf dessen Phosphorylierung und damit auch auf dessen Aktivität oder Funktion, was wir am Beispiel des Schlüsselenzymes der Sialinsäurebiosynthese zeigen konnten.


Ziele und Arbeitsprogramm:
In diesem Projektvorschlag soll die Rolle von ausgewählten posttranslationalen Modifikationen bei der Tumorgenese untersucht werden. Als Untersuchungsobjekt haben wir das Meningeom gewählt; diese Tumorentität kann sowohl benigne wie maligne sein. Ob benigne und maligne Meningeome sich durch die Expression von spezifischen posttranslationalen Modifikationen, wie der (poly)Sialylierung, unterscheiden, ist nicht bekannt. Wir planen benigne oder maligne Meningeomzelllinien mit geeigneten Methoden (siehe 2.2) zu vergleichen. Zusätzlich kann in Zellkultur durch gewählte Manipulationen (Glukose-Konzentration im Medium, Carbonyl-haltige Medien, hypoxische Konditionen, synthetische Zucker oder Verwendung von gealterter Matrix) die Expression von posttranslationalen Modifikationen moduliert werden (siehe Vorarbeiten). Ziel hierbei ist es herauszufinden, welche posttranslationalen Modifikationen bei der Tumorgenese (hier am Beispiel des Meningeoms) verstärkt oder vermindert gebildet werden und welche Rolle diese bei Adhäsion oder Migration von Tumorzellen haben. 

Wir möchten posttranslationale Modifikationen in benignen und malignen Meningeomen aus Operationsproben quantifizieren. Dazu liegt ein positives Ethikvotum vor und die entsprechende Analysetechnik ist im letzten Jahr etabliert worden. Ein Großteil der Experimente wird jedoch mit zwei Meningeomzelllinien (9BEN-MEN-1 = Grad I = benigne; IOMM-Lee = Grad III = maligne) durchgeführt.

  1. Proteinbiochemische Analysen (Westernblot)
  2. HPLC Analysen
  3. Expressionsanalysen von Sialyltransferasen 
  4. Zellbiologische Analysen
  5.  Manipulation durch Stoffwechseländerungen
  6. Manipulation der Matrix durch Glykierung

Zusammenfassend sollen die posttranslationalen Modifikationen von Meningeomen moduliert oder manipuliert und nachfolgend deren biologische Funktion studiert werden.

Die Beobachtung, dass die Anästhetika- und Analgetikakonzentration mit der EEG Aktivität korreliert führte zur Entwicklung prozessierter EEG-Monoparameter. Weite Verbreitung hat unter diesen der BIS (bispektraler Index) erreicht, der jedoch nicht unumstritten ist. Während der B-aware-trial durch seine Verwendung eine signifikante Reduktion der Inzidenz von Awareness zeigte, konnte der B-unaware-trial dies nicht reproduzieren. Die beantragende Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der automatisierten Analyse intraoperativer EMG-Daten. Im Rahmen der operativen Eingriffe, bei denen diese Verfahren entwickelt wurden, fielen spontane Potentialfolgen mit massiver Aktivität im EMG vor allem der Schlund- und Rachenmuskeln auf. Minuten nach deren Einsetzen kam es zu teils kräftigen Patientenbewegungen. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass eine Aktivierung der Schlund-, Zungen- und Rachenmuskulatur Ausdruck einsetzender Schutzreflexe ist, und dass die resultierende EMG-Aktivität als Warnparameter dienen könnte. Im Rahmen einer Pilotstudie wurde eine Quantifizierung des EMG aus der Schlund-, Zungen- und Rachenmuskulatur vorgenommen. Parallel wurde der BIS erfasst. Verblindet retrospektiv wurde dann visuell das Zeitintervall zwischen Extubation und ansteigendem BIS, bzw. ansteigender EMG-Aktivität vermessen. Es zeigte sich, dass ein Anstieg des BIS 5,9min (median) vor Extubation festzustellen war. Die EMG-Aktivität hingegen stieg bereits 12,3min (median) vor Extubation an. Im Mann-Whitney-Test ergab sich eine statistisch signifikant längere Vorwarnzeit für das EMG (p = 0,026). Die während der Pilotstudie gemachten Beobachtungen, sowie einschlägige Literaturstellen legen nahe, dass die für das EMG der Schlund-, Zungen- und Rachenmuskulatur gemachten Aussagen im Grundsatz auch auf das deutlich alltagspraktikabler abzuleitende Fazialis-EMG übertragbar sein dürften. Ziel des zur Förderung beantragten Projekts ist die Schaffung und Evaluation eines vollautomatisierten quantitativen Verfahrens, welches das Facialis-EMG als Warnparameter nutzt. Zur Evaluation des Systems wird die Korrelation zwischen BIS, dem zu ermittelnden EMG-Parameter und folgenden Werten untersucht: a) PRST-Score b) Analgesietiefe (ANI-Monitor) c) Pharmakologische Analgesietiefe: Errechnete Effektkompartimentkonzentration des verwendeten Opiats d) Pharmakologische Hypnosetiefe: Errechnete Effektkompartimentkonzentration des Propofols. Im Anschluss an das beantragte Vorhaben könnten diese Ergebnisse auch zur prospektiven Überprüfung der Variation des EMG-Parameters bei konstantem chirurgischen Stimulus unter steigenden und fallenden Opiat-Effektkompartimentkonzentrationen beitragen.