Soziale Faktoren spielen eine bedeutende Rolle in der Entstehung und Entwicklung von Krankheit. Die sozialen Verhältnisse bestimmen nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Krankheit und vorzeitigem Tod, sie beeinflussen ebenso die Chancen für eine Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit. Die Medizinische Soziologie setzt an dieser Schnittstelle zwischen Medizin und Gesellschaft an und erforscht die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Einflüsse sowie die Struktur und Funktion des medizinischen Versorgungssystems. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind für ärztliches Handeln sowie für die Gesundheitspolitik von Bedeutung, da sie zu einer Verbesserung der Prävention und Therapie von Krankheiten beitragen. Die Medizinische Soziologie ist damit eine unverzichtbare Ergänzung zum biowissenschaftlichen Forschungsprogramm der Medizin.

Die Forschungsaktivitäten des IMS umfassen ein breites Spektrum an Themen und sind in drei wissenschaftliche Schwerpunkte untergliedert, die unter dem Dach der sozialen Determinanten der Gesundheit zusammengefasst sind:

Was ist Kinder- und Jugendgesundheit

In dieser Arbeitsgruppe wird ein breites Spektrum der Kinder- und Jugendgesundheit bearbeitet, die für eine gesunde Entwicklung relevant sind. Obwohl Kinder und Jugendliche zu einer der gesündesten Altersgruppe gezählt werden, zeigen sich auch in dieser Lebensphase gesundheitliche Probleme und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen, die das Wohlergehen, die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigen können. Zudem zeigen sich bereits hier auch gesundheitliche Ungleichheiten.

Ausrichtung am IMS

Mit Hilfe von quantitativen Methoden werden Themen wie z.B. (psychische) Gesundheit, Wohlbefinden und Gesundheitsverhaltensweisen (z.B. Ernährung und Bewegung, Substanzkonsum) untersucht. Weiterhin werden auch Fragen zur Familie und der Lebenssituation, der Schulumwelt und dem schulischen Wohlbefinden als auch die Peer-Group in den Blick genommen. Die Themen werden in Hinblick auf horizontale wie vertikale soziale Ungleichheiten analysiert. Es finden sowohl Trendanalysen Anwendung, als auch längsschnittliche Untersuchungen, die den Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter analysieren. Auch methodische Herausforderungen wie die Messung des Sozialstatus im Jugendalter werden in der AG berücksichtigt. Das Ziel der AG ist es, die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen im Kontext von Familie, Schule und Peers zu untersuchen. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Beschreibung und Erklärung gesundheitlicher Ungleichheiten gelegt. Die Ergebnisse dienen u.a. als Grundlage für Maßnahmen der (schulischen) Gesundheitsförderung und legen den Grundstein für einen gesunden Übergang ins Erwachsenenalter.

Verantwortlich

Dr. Irene Moor

Was ist Lebenslaufforschung

Die Gesundheit des Einzelnen ist nicht allein von seiner derzeitigen Lebenssituation abhängig, vielmehr finden sich über den gesamten Lebenslauf hinweg eine Vielzahl an Faktoren und Ereignisse, deren Einfluss auf die Gesundheit über viele Jahre hinweg nachweisbar sind.  So konnten beispielsweise einzelne Studien zeigen, dass bereits im Mutterleib der Grundstein für die spätere Gesundheit gelegt wird. Alkohol und Nikotin gehören dabei sicherlich zu den bekanntesten Faktoren, die nicht nur ein geringeres Geburtsgewicht oder Frühgeburten zur Folgen haben können, sondern darüber hinaus auch weitere gesundheitliche Schädigungen nach sich ziehen können, welche erst im Erwachsenenalter sichtbar werden. In der Lebenslaufforschung wird davon ausgegangen, dass neben biologischen Faktoren auch soziale Prozesse ausschlaggebend sind. Eine wesentliche Rolle spielen hier sowohl Benachteiligungen in kritischen Perioden, zu denen neben der fötalen Phase insbesondere auch die Kindheit und Jugend zählen, als auch die Anhäufung von (sozialen) Benachteiligungen und soziale Mobilität im Lebenslauf. Einflüsse auf die Gesundheit lassen sich hier sowohl in Bezug auf die subjektive Einschätzung der Gesundheit als auch im Sinne manifester Erkrankungen nachweisen.

In der Erforschung gesundheitlicher Ungleichheit wird von zwei Wirkrichtungen ausgegangen: während die Kausalthese davon ausgeht, dass soziale, materielle oder physische Faktoren zu einer schlechteren Gesundheit führen, beschreibt die Selektionsthese die Auswirkung schlechter Gesundheit auf soziale, materielle oder physische Faktoren. Kurz gesagt: Führen Benachteiligungen zu einer schlechteren Gesundheit (Kausalthese) oder zieht eine schlechte Gesundheit Benachteiligungen nach sich (Selektionsthese)? Da die Lebenslaufforschung die Entwicklung von Gesundheit und sozialen Faktoren über einen längeren Zeitraum betrachtet, sind Aussagen zu Verursachung und Selektion eher möglich. In internationalen Studien konnten primär Belege für die Kausalthese gefunden werden. In Deutschland ist eine Aussage dazu, aufgrund mangelnder Längsschnittdaten, bisher nicht möglich.

Ausrichtung am IMS

Derzeit erforscht die AG Lebenslauf den Beitrag den die verschiedenen Prozesse, die über den Lebenslauf wirken, für die Erklärung gesundheitlicher Ungleichheiten im jüngeren und mittleren Lebensalter leisten. Dazu wird sowohl soziale Mobilität als auch die Dauer und Abfolge von Benachteiligungen betrachtet. Zudem zielt die Arbeit der AG auf die Erfassung vermittelnder Faktoren. Auf der Grundlage dieser Forschung können Empfehlungen erarbeitet werden, wie bereits im Kindesalter präventiv für die spätere Gesundheit vorgesorgt werden kann.

Verantwortlich

Dr. Anja Knöchelmann

Was ist Versorgungsforschung

Was zunächst nach trockener Schreibtischtätigkeit klingt, entpuppt sich in Wirklichkeit als fachübergreifende Forschung ganz nahe am medizinischen Alltag. Ausgehend von der Patienten- und Populationsperspektive und vor dem Hintergrund komplexer Kontextbedingungen werden die Strukturen und Prozesse der Gesundheitsversorgung untersucht, die Outcomes auf Ebene der Alltagsversorgung beschrieben und komplexe Interventionen zur Verbesserung der Versorgung entwickelt und evaluiert.

Ausrichtung am IMS

Viele der im Institut für Medizinische Soziologie umgesetzten Versorgungsforschungsprojekte setzen sich mit dem individuellen Krankheitserleben auseinander. Das ist von Relevanz, da sich die Erfahrungen, die Patientinnen und Patienten im Alltag mit sich, ihrer Erkrankung und der Wahrnehmung durch andere machen, auch auf den Therapieerfolg auswirken können. Die sozialen Determinanten der gesundheitlichen Versorgung durchziehen die Versorgungsforschungsprojekte wie ein roter Faden und werden auch in den Sekundärdatenanalysen fokussiert. In der Forschungspraxis finden sowohl qualitative als auch quantitative Methoden ihre Anwendung. In den Arbeiten der AG werden sowohl Routinedaten ausgewertet (Sekundärdatenanalysen) als auch selber Daten erhoben.

Verantwortlich

Dr. Julia Roick